Kinderorthopädie / Jugendorthopädie – Wahrheit, Mythen und die häufigsten Beschwerden
Orthopädische Probleme im Kindesalter - Dr. Gründler klärt auf:
Übersicht
- Kinder brauchen besondere Aufmerksamkeit
- Orthopädische Probleme bei Kindern
- Wachsende Knochen verstehen - Die Kunst der Kinder- und Jugendorthopädie
- Zusammenarbeit mit anderen Fachärzten
- Sonderfall: Kinder im Leistungssport
- Die 11 häufigsten orthopädischen Probleme bei Kindern
- Erfahrungen aus der Kinderorthopädie / Jugendorthopädie am OSS
Die Kinder- und Jugendorthopädie ist ein Spezialgebiet, das in Österreich mit hervorragender medizinischer Vorsorge punkten kann. Schon nach der Geburt werden Kinder entsprechend untersucht und auch Kinderärzte beobachten die Entwicklung und das Wachstum des kindlichen Bewegungsapparats. Doch wann ist es ratsam, einen Spezialisten aufzusuchen?
Es gibt viele verschiedene orthopädische Probleme bei Kindern. Einige sind angeboren, was bedeutet, dass sie von Geburt an bestehen; andere treten erst später auf. Es gibt Frakturen, Skoliose (eine Verformung der Wirbelsäule), Hüft- und Knieprobleme, z. B. infolge von Sportverletzungen, Fußfehlstellungen, aber auch Weichteil- oder Knochentumore.
Einige Problematiken sind harmlos und können rasch therapiert werden, während andere ernst sind und sofortige Aufmerksamkeit benötigen. Wenn Sie befürchten, dass Ihr Kind ein orthopädisches Problem hat, suchen Sie Ihren Kinderarzt auf, der einige der gängigen Fälle ausschließen kann. Sollte sich Ihre Sorge aber bestätigen, wird der Kinderarzt Sie an einen Spezialisten weiter verweisen.
Kinder brauchen besondere Aufmerksamkeit
Der Bewegungsapparat von Kindern erfordert besondere Aufmerksamkeit von Eltern und behandelnden Ärzten. Damit ein gesundes Wachstum gewährleistet und späteren Problemen und Schmerzen vorgebeugt werden kann, sollten Eltern eine regelmäßige Kontrolluntersuchung beim Facharzt (Orthopäden) einplanen. Ich empfehle Eltern, auch bei scheinbar gesunden Kindern etwa einmal im Jahr, am besten im Herbst, einen Spezialisten aufzusuchen. Gerade im Kindesalter können Problematiken mit dem Bewegungsapparat, wenn sie rechtzeitig entdeckt und behandelt werden, oft ganz wieder verschwinden.
Ich behandle seit Jahrzehnten Kinder in meiner Praxis und weiß, dass – ganz abgesehen von der fachlichen Thematik – Kinder besondere Aufmerksamkeit und einen liebevollen, geduldigen Umgang brauchen, um eine optimale Behandlung zu erhalten. Nur wenn Kinder sich schon auf die nächste Untersuchung freuen und Vertrauen haben, kann ich als Arzt von einem Behandlungserfolg sprechen.
Wann können die ersten orthopädischen Probleme bei Kindern auftreten?
Wenn ihr Kind wächst und Spielplätze, Turnhallen, Sportarten und/oder Unfälle für sich entdeckt, treten oft die ersten orthopädischen Probleme auf. Diese beeinflussen die motorischen Fähigkeiten des Kindes und können, wenn sie nicht behandelt werden, bspw. Gelenke und Sehnen mittelfristig schädigen.
Denken Sie daran: Wenn ein Physiotherapeut oder ein Allgemeinmediziner orthopädische Leistungen anbietet, bedeutet das nicht, dass er über die klinischen Fähigkeiten verfügt, um Kinder richtig zu behandeln. Die Pädiatrie ist ein Spezialgebiet, denn der kindliche Körper im Wachstum benötigt ganz andere Therapieformen als ein Erwachsener.
Wachsende Knochen verstehen - Die Kunst der Kinder- und Jugendorthopädie
Kinder und Jugendliche sind nicht einfach kleine Erwachsene. Selbst als Teenager wachsen ihre Knochen immer noch und stellen andere Herausforderungen als erwachsene Knochen. Um zu erkennen, wie sich eine aktuelle Verletzung und Behandlung auf den Körper Ihres Kindes auswirkt, wenn es ausgewachsen ist, braucht es einen Spezialisten. Zum Beispiel kann eine Verletzung einer Wachstumsfuge, die das Knochenwachstum steuert, schwer zu erkennen sein. Ein pädiatrischer Spezialist weiß, wonach er suchen muss, kann Probleme antizipieren und daran arbeiten, diesen vorzubeugen oder sie zu lösen. Er klärt Eltern auch über Möglichkeiten auf, wie sie dazu beitragen können, dass der Bewegungsapparat ihrer Kinder gesund bleibt.
Zusammenarbeit mit anderen Fachärzten
Viele orthopädische Erkrankungen, die bei Kindern auftreten, wirken sich auf andere Körperteile aus und umgekehrt. Deshalb sind die Kommunikation und die Abstimmung mit anderen Ärzten, insbesondere dem Haus- bzw. Kinderarzt, ungemein wichtig. Sogar der Zahnarzt kann in manchen Fällen ein wichtiger Partner sein!
Sonderfall: Kinder im Leistungssport
Eine besondere Aufmerksamkeit benötigen Kinder, die Leistungssport betreiben. Wenn die Kinder im Nationalkader trainieren, sind jährliche eingehende Untersuchungen vorgeschrieben, doch alle anderen Kinder fallen – wenn die Eltern nicht selbstständig vorsorgen – „unter den Rost“. Ich mache immer wieder darauf aufmerksam, dass solche sportlichen Kinder unbedingt von einem auf Sportmedizin und Pädiatrie spezialisierten Orthopäden wie auch einem qualifizierten Physiotherapeuten begleitet werden müssen. Die Gefahr der Verschleppung von Sportverletzungen und orthopädischen Problematiken ist hier besonders hoch. Auch ein jährliches Blutbild ist unbedingt anzuraten, um eventuelle Mangelerscheinungen aufzudecken.
Jeder Mensch hat eine „gute“ und eine „schlechte“ Seite, das heißt, entweder ist die rechte oder die linke Hand bzw. auch das rechte oder linke Bein stärker und wird häufiger verwendet. Im Leistungssport geht das so weit, dass (fast) nur noch eine Seite trainiert wird und über bedeutend mehr Muskelmasse verfügt. Das kann bei Kindern zu einer mitunter starken Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) führen, die wiederum Hüft-, Knie- und Gelenkprobleme nach sich zieht. Eine ausgleichende Therapie ist in solchen Fällen von Anfang an erforderlich!
Die 11 häufigsten orthopädischen Probleme bei Kindern
Hüftdysplasie und Hüftgelenksluxation
Im Rahmen der Mutter-Kind-Passuntersuchung kann dieses schwere Erkrankungsbild zumeist bereits in der ersten Lebenswoche des Säuglings mittels einer Ultraschalluntersuchung des Kindes diagnostiziert und anbehandelt werden. Eine ungenügende Entwicklung des Hüftgelenkes kann in diesem Alter abhängig von der Schwwere der Erkrankung unproblematisch durch spezielle Techniken beim Wickeln oder Zügelversorgung über einige Wochen ausbehandelt und geheilt werden. Nur in schlimmen Fällen wird ein Krankenhausaufenthalt notwendig.
Sichelfuß, Plattfuß, Knick-Senkfuß
Meistens bei Gehbehginn, bei schweren Fußfehlstellungen auch gleich bei der ersten klinischen Untersuchung des Kindes, werden die Eltern, Großeltern bzw. der untersuchende Arzt auf Fußfehlstellungen aufmerksam. Je nach Krankheitsbild sind diese Fehlstellungen meist unkompliziert zu beheben. Die Therapieformen reichen von spezieller Massage über Einlagenversorgung bis hin zu nur sehr selten erforderlichen operativen Eingriffen.
O-Beine
O-Beine beschreiben einen Zustand, bei dem die Beine eines Kindes unterhalb der Kniegelenke nach innen zeigen. Diese sind bei Säuglingen üblich, verschwinden jedoch im Allgemeinen, wenn das Kind älter wird. Wenn Ihr Kind im Alter von zwei Jahren immer noch O-Beine zeigt oder wenn nur ein Bein gekrümmt ist, ist die Konsultation eines Orthopäden anzuraten.
X-Beine
Bei X-Beinen drehen sich die Beine unterhalb des Knies nach außen. Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren leiden im Rahmen ihrer Knochenentwicklung häufig unter leichten X-Beinen. Falls sich der Zustand später nicht merklich bessert, lassen Sie sich bitte von einem Orthopäden beraten.
Einwärtsgang
Beim Einwärtsgang drehen sich die Füße nach innen. Es ist normal, dass sich die Beine von Babys im ersten Lebensjahr nach innen drehen. Wenn sie laufen lernen, kann der Zustand deutlicher werden, bessert sich jedoch mit zunehmendem Wachstum.
Komplexe Hüfterkrankungen
Pädiatrische Hüfterkrankungen können Kinder in jedem Alter betreffen. Hüftdysplasie ist eine Erkrankung, bei der sich die Hüftgelenkpfanne nicht richtig bildet und mit einer Hüftluxation bei der Geburt oder einer abnormalen Entwicklung der Gelenkpfanne im Lauf des Wachstums des Kindes in Verbindung gebracht werden kann.
Deformität der Gliedmaßen
Beinlängenunterschiede oder Winkeldeformitäten führen oft später zu Folgeproblematiken, wie z. B. zu einer Skoliosierung der Wirbelsäule. Es ist daher erforderlich, solche Fälle orthopädisch (z. B. mittels spezieller Einlagen) zu korrigieren.
Neuromuskuläre Störungen
Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen wie Zerebralparese, Muskeldystrophie und Downsyndrom benötigen eine umfassende orthopädische Versorgung.
Wirbelsäulenverformung
Wirbelsäulenzustände wie Skoliose (Krümmung der Wirbelsäule), Kyphose (zunehmende Rückbildung der Wirbelsäule), Spondylolyse (knöcherne Unterbrechung eines Wirbelbogens) und Spondylolisthesis (Gleiten, Verschiebung eines Wirbelsauf einem anderen nach vorne oder hinten) können Kinder schon im Kleinkindalter betreffen oder auch erst in späteren Jahren. Die Mehrzahl der Wirbelsäulenerkrankungen erfordert keine Operation, jedoch sind regelmäßige Untersuchungen erforderlich, um sicherzustellen, dass sich der Zustand nicht verschlechtert.
Perthes-Krankheit
Perthes ist eine Erkrankung bei Kindern, die durch einen vorübergehenden Verlust der Blutversorgung der Hüfte gekennzeichnet ist. Ohne ausreichende Blutversorgung stirbt der abgerundete Kopf des Femurs (der „Ball“ der Hüfte) ab. Der Bereich wird stark entzündet und gereizt.
Epiphysiolysis capitis der Hüfte
Es handelt sich um das Abrutschen des Hüftkopfes im Bereich der Wachstumsfuge am Hüftkopf im Pubertätsalter zumeist bei übergewichtigen oder sportlich überaktiven Kindern.