Prothesen und Kunstgelenke - Dr. Gründler klärt auf:
Übersicht
- Wann ist eine Prothese sinnvoll?
- Worauf achten Spezialisten vor einer OP?
- Welche Komplikationen können auftreten?
- Mechanischer Abrieb bei Prothesen
- Lockerung bei Prothesen
- Überbelastung beim Sport
- Regelmäßige Kontrolle der Prothesen!
- Untersuchungsverfahren bei Prothesen-Trägern
- Warum kann sich eine Prothese entzünden?
- Die Peri-Prothetische Infektion
- Fazit
Millionen von Menschen benötigen jedes Jahr eine Prothese. Der medizinische Fachbegriff „Prothese“ wird häufig als allgemeingültiger Begriff für künstliche Körperteile verwendet, die erforderlich werden, um eine Körperfunktion zu ersetzen oder zu verbessern.
Nach einer Erhebung des Österreichischen Sozialministeriums aus dem Jahr 2018 liegt Österreich mit einer bevölkerungsbezogenen Implantationsdichte von 210 pro 100.000 Hüft-Totalendoprothesen (HTEP) sowie 202 pro 100.000 Knie-Totalendoprothesen (KTEP) im internationalen Spitzenfeld, wenn es um Hüft- und Knieprothesen geht.
Ähnliches zeigt eine Statistik der Jahre 2015 bis 2019, bei der Österreich im OECD-Ländervergleich bei der Implantation künstlicher Hüftgelenke auf dem dritten Platz liegt. Nur in Deutschland und der Schweiz werden häufiger künstliche Hüftgelenke implantiert.
Dieser Artikel beschäftigt sich damit, wann und warum Prothesen genutzt werden und welche Komplikationen nach der Implantation von Prothesen auftreten können. Ebenso geht die Abhandlung auf die wichtigsten Untersuchungsmöglichkeiten bei Prothesenträgern ein und erklärt, welche Sportarten für Prothesenträger kontraindiziert sind und warum umgehende Intervention bei einer Entzündung zwingend erforderlich ist.
Bei welchen Erkrankungen kann eine Prothese zum Einsatz kommen?
Der menschliche Bewegungsapparat ist täglich enormen Belastungen ausgesetzt. Durch Erkrankungen, übermäßige Inanspruchnahme beim Sport und andere Faktoren sowie durch Verschleiß im Alter kommt es unweigerlich zu Schäden am Bewegungsapparat. Vor allem im Bereich der Hüfte und des Knies sind Krankheitsbilder weitverbreitet, die im letzten Stadium dazu führen, dass eine Prothese eingesetzt werden muss.
Eine der häufigsten Erkrankungen, die eine Indikation für eine künstliche Hüfte bildet, ist die Hüftarthrose, die fachlich als Coxarthrose bezeichnet wird. Bei der Coxarthrose wird der Gelenkknorpel an der Hüfte sukzessive zerstört, was zu Gelenkschmerzen führt, die die Lebensqualität signifikant einschränken. Patienten beschreiben typischerweise Schmerzen beim Überschlagen der Beine, beim Aufstehen und Losgehen sowie bei Bewegungen des Oberschenkels nach innen. Die Beschwerden können in das Gesäß und die Oberschenkel ausstrahlen und so belastend und schmerzhaft werden, dass in fortgeschrittenen Fällen ein Kunstgelenk notwendig wird. Weitere Gründe für eine künstliche Hüfte können eine:
- Hüftkopfnekrose,
- Eine Hüftdysplasie oder Fehlstellung der Gelenkpfanne,
- Die rheumatoide Arthritis oder
- Ein vor allem bei älteren Menschen gefährlicher Oberschenkelhalsbruch sein.
Eine Knieprothese als letztes Mittel und Therapieoption wird häufig bei Patienten mit einer schweren Kniegelenksabnützung eingesetzt. Nehmen die Schmerzen im Knie und Bein nicht nur bei Bewegung, sondern auch in Ruhe zu und mindern diese die Lebensqualität spürbar, besteht eine Indikation für den Einsatz eines künstlichen Kniegelenks. Auch hier gibt es mannigfaltige weitere Gründe für die Notwendigkeit des Einsatzes eines künstlichen Gelenksersatzes.
Worauf achten orthopädische Hüftspezialisten vor und nach der Operation?
Orthopädische Hüftspezialisten achten vor der Operation im Planungsprozess und während der OP sorgfältig darauf, dass die Prothese richtig platziert wird. Nach der Operation überwachen sie den Heilungsprozess und stellen sicher, dass die Prothese korrekt funktioniert. Sie hat mittlerweile eine Standarddauer von 20 bis 25 Jahren, bevor eine Revision und ein Prothesenwechsel notwendig werden kann.
Neben Schmerzfreiheit besteht ein wesentliches Ziel der Operation darin, die Prothese als körpereigen zu betrachten und diese im alltäglichen Leben zu vergessen. Aus diesem Grund spricht man fachlich von einer „forgotten hip“ – einem Kunstgelenk, welches unbemerkt seine Funktion ausübt und vom Patienten nicht wahrgenommen wird.
Welche Komplikationen können nach einer Implantation auftreten?
Nach der Implantation einer Prothese können Komplikationen wie Abrieb oder ein Lockern der Prothese durch unangemessene übertriebene sportliche Betätigung oder anderweitige Schädigungen des Implantats auftreten. In seltenen Fällen kann es auch zu Knochenproblemen oder zu Entzündungen des Gewebes rund um das künstliche Gelenk kommen.
Mechanischer Abrieb bei Prothesen kann ein Problem darstellen
Mechanischer Abrieb war oft ein Problem bei Prothesen älterer Bauart. Beim Abrieb konnten feine Teilchen in das umliegende Gewebe gelangen und Entzündungen verursachen. Darüber hinaus kann sich die Prothese lockern.
Bei früheren Prothesenarten, deren Gleitpaarung auf Metallteilen basierte, konnte es zur Freisetzung von Metall-Ionen kommen. Diese konnten sich allmählich im Gewebe und im gesamten Körper verteilen. In seltenen Fällen stieg die Metallkonzentration über ein unbedenkliches Maß an und konnte sogar zu chronischen Vergiftungen führen. Folgen solcher Intoxikationen konnten ein Knochenabbau, Zysten und Tumore sein.
In den letzten Jahren hat die Medizintechnik sich vor allem darauf fokussiert, abriebarme Materialien wie Keramik oder keramisiertes Metall zu verwenden, um der Komplikation des Abriebs vorzubeugen. Ultrahoch vernetzte Polyethylen-Kunststoffe, auch versetzt mit Vitamin D, werden ebenfalls für Prothesen eingesetzt, da sie signifikant weniger Abrieb produzieren als früher übliche Prothesen-Materialien aus Metall oder Kunststoff.
Warum und wann kommt es zu einer Lockerung der Prothese?
Eine Lockerung der Prothese kann aus verschiedenen Gründen auftreten. Zum einen kann es durch den natürlichen Abbau des Gewebes rund um die Prothese zu einer Lockerung kommen. In selteneren Fällen kann auch eine Fehlbelastung oder zu frühe Belastung unmittelbar nach dem Einbau der Prothese zu Lockerungen führen. Um Lockerungen vorzubeugen, ist es wichtig, die Prothese regelmäßig kontrollieren zu lassen und das künstliche Gelenk nicht einseitig zu überlasten.
Patienten mit gelockerter Hüftprothese merken ein Versagen des Prothesenschaftes oder eine Lockerung an verschiedenen Symptomen. Zum einen treten dumpfe oder stechende Schmerzen im Oberschenkel auf, die bis in das Kniegelenk oder die Leiste ausstrahlen können. Derartige Beeinträchtigungen sind durchgehend beim Stehen und Gehen spürbar und verstärken sich bei Belastung. Gleichzeitig können Klickgeräusche beim Fortbewegen auftreten, die ein eindeutiger Indikator für eine ineffiziente Prothese sein können.
Kann Überbelastung beim Sport zu einer Lockerung der Prothese führen?
Wenige Wochen nach einer Prothesen-Operation können Patienten ihr Leben wieder uneingeschränkt genießen. Sport ist generell für Menschen jeder Altersklasse wichtig und auch für Prothesenträger ratsam. Damit es nicht zu Überbelastungen und Problemen mit dem Gelenksimplantat kommt, sind gelenkschonende Betätigungen wie Wandern, Skilanglauf, Schwimmen, Radfahren oder Spazierengehen empfehlenswert. Mit Abstrichen können Tennis, Golf oder Skifahren ebenfalls zu den favorisierten Sportarten zählen, solange darauf geachtet wird, sich nicht über die Belastungsgrenze zu verausgaben.
Regelmäßiger Sport kann die Haltbarkeit des Kunstgelenkes verlängern, da es den Knochenstoffwechsel anregt und die muskuläre Gelenkführung verbessert. Nicht empfehlenswert sind Mannschafts- bzw. Kontaktsportarten wie Fußball, Basketball oder Handball, bei denen das Verletzungsrisiko erhöht ist, sowie Kampfsportarten, die ebenfalls hohe Risiken für die Prothese darstellen. Auch wenn durch Bewegung grundsätzlich Abrieb an der Prothese entstehen kann, überwiegen die Vorteile eines moderaten Sportprogramms. Sport sollte in jedem Fall zum Wochenprogramm jedes Patienten mit Kunstgelenk gehören.
Wichtig: Regelmäßige Kontrolle der Prothese durch Fachärzte und Röntgenuntersuchungen
Nach einer Prothesen-Operation ist es entscheidend, den Körper und Bewegungsapparat so schnell wie möglich zu mobilisieren. Aus diesem Grund beginnen direkt nach der OP spezifische physiotherapeutische Trainings, um die operierten Körperbereiche rund um die Prothese gezielt zu belasten.
Am Ende des stationären Klinikaufenthalts und eines Rehabilitationsaufenthaltes folgt im zweiten Schritt eine Krankengymnastik, bei der die Muskulatur im Bereich der Prothese gekräftigt und trainiert wird.
Ein Jahr nach der Operation sollte zum ersten Mal eine Kontrolle der Prothese mit einer umfassenden Röntgenuntersuchung erfolgen. Bei Beschwerdefreiheit sollte die Routinekontrolle alle zwei Jahre wiederholt werden, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können.
Welche Untersuchungsverfahren werden bei Prothesen-Trägern eingesetzt?
Es gibt verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten für Menschen mit Prothesen. Die sogenannten bildgebenden Verfahren, wie das Röntgen, die Computertomografie (CT) oder allenfalls auch Magnetresonanztomografie (MRT) sind die wichtigsten Untersuchungsmethoden, um den Zustand von Prothesen zu überprüfen.
Röntgenuntersuchungen sind in der Regel die erste Wahl bei der Diagnose von Erkrankungen des Bewegungsapparates, da sie eine gute Aufnahme von Knochen, Gelenken und Prothesen liefern. Liefert ein herkömmliches Röntgenbild keine eindeutige Zustandsdiagnose des endoprothetischen Implantats, kann im Einzelfall auf eine CT- oder MRT-Untersuchung zurückgegriffen werden.
CT-Untersuchungen werden häufig bei Verdacht auf Erkrankungen des Knochengewebes, z. B. bei Tumoren oder Entzündungen eingesetzt. Die CT-Untersuchung ist eine Röntgenuntersuchung, bei der mehrere Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln gemacht werden. Diese werden technisch mithilfe eines Computers zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt. Durch dieses innovative bildgebende Verfahren können spezialisierte Behandler im Detail verstehen, wo sich ein Problem mit der Prothese befindet und welche Behandlungsoption die geeignetste ist.
Ebenfalls geeignet ist eine MRT-Untersuchung, die fachlich als Kernspintomografie oder MRI bekannt ist. Mit einem Magnetresonanztomographen können detaillierte Schnittbilder des menschlichen Körpers in hoher Auflösung erstellt werden, sodass Probleme mit der Prothese oder den umliegenden Weichteilen effektiver und schneller erkannt werden können.
Die Knochenszintigraphie dient dem Nachweis einer Lockerung der knöchernen Verankerung des Implantates, eine Granulozytenszintigraphie dient neben dem Labor dem Nachweis einer (periprothetischen) Infektion.
Warum kann sich eine Prothese entzünden?
Da es sich bei einer Prothese um ein künstliches Körperteil aus Metall, Kunststoff oder anderen Materialien handelt, das individuell angepasst und im Körper fixiert wird, kann es während und nach der Operation zu seltenen medizinischen Komplikationen kommen.
Eine bedeutende und gefährliche Herausforderung ist eine Entzündung im Umfeld der Prothese. Entzündungen führen im Körper grundsätzlich zu Schmerzen, Rötungen, Schwellungen sowie in schweren Fällen zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Der Fachbegriff für die Infektion und Entzündung einer Prothese lautet „Peri-prothetische Infektion.“ Sie tritt am häufigsten in den ersten beiden Jahren nach der Implantation auf und kann in zwei Untergruppen unterteilt werden:
- Akute Peri-prothetische Infektion sowie
- Chronische Peri-prothetische Infektion.
Eine Infektion der Prothese entsteht in der Regel durch Bakterien. Während der Operation oder postoperativ im Rahmen der Wundheilung kann sich das Areal um die Prothese entzünden. Ebenfalls möglich ist eine Besiedelung der Prothese mit Keimen von einem abweichenden Infektionsherd. Entzündungen der Harnwege, im Mund-Rachenbereich oder der Lunge wandern in diesem Fall über die Blutbahn zur Prothese und führen zu einer Entzündung.
Eine akute Infektion geht mit einem schweren Krankheitsgefühl, hohem Fieber, Schüttelfrost und eindeutigen Entzündungsanzeichen im Blut einher. Eine Blutvergiftung kann lebensbedrohlich verlaufen und muss zwingend behandelt werden. Patienten klagen zusätzlich über Schmerzen, ein Wärmegefühl oder Schwellungen im Bereich der Prothese. Chronische Entzündungen sind im Gegensatz weniger sichtbar. Vor allem die permanenten Schmerzen und eine Lockerung der Prothese sprechen für einen chronischen Verlauf.
Wie wird eine peri-prothetische Infektionen behandelt?
Mit einer Blutuntersuchung und einer Punktion des Gelenks werden der Entzündungsherd und die Schwere der Infektion eindeutig identifiziert. Auch das umliegende Gewebe um die Prothese wird durch bildgebende Verfahren und durch Tastuntersuchungen begutachtet. Mit einer „Herd-Diagnostik“ prüft man darüber hinaus, ob weitere Entzündungsherde im Körper vorhanden sind.
Zur Therapie sind in den meisten Fällen eine oder mehrere Operationen notwendig. Besteht die Infektion erst seit kurzer Zeit, kann die Prothese eventuell erhalten werden. Um die Entzündung zu beseitigen, spült man diese medikamentös und entfernt infiziertes Gewebe. Unterstützend erfolgt eine orale oder intravenöse Antibiotikatherapie. Allenfalls werden die Gleitpaarungen erneuert.
Handelt es sich nach der ersten Anamnese und einer Detailuntersuchung um eine chronische Entzündung, muss die Prothese entfernt werden. Nach der Extraktion wird das Gewebe gespült und infizierte Teilbereiche entfernt. Sobald die Entzündung abgeklungen ist, kann eine neue Prothese eingesetzt werden. Mittels neuester OP-Methoden kann entsprechend eines Schemas mitunter auch ein „einseitiger“ Prothesenwechsel“, welcher bei dder ersten Revisions-OP durchgeführt wird, erfolgen. . Dies ist je nach Schweregrad nach zwei bis acht Wochen möglich. Eine 3-monatige antibiotische Therapie soll zusätzlich verhindern, dass erneut eine Entzündung an der Prothese entstehen kann.