Rückengesundheit beginnt mit der Schultasche: Tipps von Dr. Johannes Gründler

Dr. Johannes Gründler erklärt: So vermeiden Sie Haltungsschäden durch die Schultasche

Eltern stehen jedes Jahr vor der Herausforderung, die passende Schultasche für ihr Kind zu finden. Doch aus orthopädischer Sicht gibt es dabei viel zu beachten: Ist die Tasche zu schwer oder schlecht angepasst, können langfristige gesundheitliche Probleme wie Haltungsschäden oder Rückenschmerzen entstehen. Dieser Blogbeitrag beleuchtet, welche Anforderungen eine Schultasche für verschiedene Altersklassen erfüllen sollte, welche orthopädischen Kriterien beim Kauf wichtig sind und welche gesundheitlichen Risiken bei falscher Nutzung entstehen.

Wie schwer darf eine Schultasche sein?

Die Frage nach dem richtigen Gewicht einer Schultasche beschäftigt viele Eltern, und die Meinungen darüber gehen oft auseinander. Laut einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sollte das Gewicht der Schultasche nicht mehr als 10-15% des Körpergewichts des Kindes betragen. Dies variiert jedoch je nach Altersstufe und körperlicher Entwicklung des Kindes.

Kinder im Volkschulalter

In der Grundschule sind Kinder im Durchschnitt kleiner und zarter gebaut. Die Schultasche sollte daher leicht sein und nicht mehr als 10% des Körpergewichts ausmachen. Bei einem 25 kg schweren Kind wären das maximal 2,5 bis 3 kg.

Kinder von 10-14

In den weiterführenden Schulen tragen Kinder oft mehr Bücher und Materialien mit sich. Hier kann das Gewicht bis zu 12% des Körpergewichts betragen, wobei das maximale Gewicht bei etwa 4-5 kg für ein 40 kg schweres Kind liegen sollte.

Kinder von 14-18

In der Oberstufe, wo die Schüler meist eine größere Körperkraft haben, können sie auch etwas schwerere Taschen tragen, jedoch sollte das Gewicht nicht über 15% des Körpergewichts liegen. Für einen Jugendlichen mit einem Gewicht von 60 kg sind das maximal 9 kg.

In den heutigen Tagen ist der Schulweg – im Gegensatz zu Zeiten Peter Roseggers – meist sehr kurz. Das Schultaschengewicht darf auf kurzen Schulwegen bis zu 10 Prozent über der empfohlenen Gewichtsangabe liegen.

Worauf sollte man beim Kauf einer Schultasche achten?

Der Kauf einer Schultasche ist nicht nur eine Frage des Designs oder der Lieblingsfarbe des Kindes. Aus orthopädischer Sicht gibt es wichtige Kriterien, die berücksichtigt werden sollten, um die gesunde Entwicklung der Wirbelsäule und des gesamten Muskel-Skelett-Systems zu fördern. Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale und Eigenschaften beschrieben, die eine gute Schultasche haben sollte, um das Tragen für Kinder möglichst angenehm und gesund zu gestalten.

1. Anpassung an die Körpergröße des Kindes

Schultaschen sollten zur Körpergröße des Kindes passen. Eine zu große oder zu kleine Tasche kann die Balance stören und zu einer falschen Körperhaltung führen. Beim Kauf ist es daher wichtig, dass die Tasche individuell anprobiert wird, um sicherzustellen, dass sie gut sitzt und das Kind sie problemlos tragen kann.

Wichtige Aspekte bei der Anpassung:

Bei kleineren Kindern ist es besonders wichtig, dass die Tasche nicht zu groß und schwer ist, um ein natürliches Wachstum nicht zu beeinträchtigen.

Wenn Sie also mit ihrem Kind, eine Kaufentscheidung treffen, ist die Anprobe ein wichtiger Schritt. Hierbei kommt es darauf an, dass sich ihr Kind durch die Schultasche möglichst unbelastet fühlt. Bei der Anprobe empfiehlt sich, ein Päckchen Kopierpapier möglichst körpernah in die Schultasche zu fühlen.

2. Breite und verstellbare Träger

Die Träger einer Schultasche spielen eine entscheidende Rolle für den Tragekomfort. Sie sollten breit genug sein, um den Druck auf den Schultern zu minimieren. Schmale Träger können in die Haut einschneiden und Druckpunkte verursachen, was vor allem bei längeren Tragezeiten schmerzhaft sein kann. Wichtig ist außerdem, dass die Träger gut gepolstert und verstellbar sind, sodass die Tasche optimal an die Größe des Kindes angepasst werden kann.

Wichtige Punkte bei den Trägern:

Tipp: Die Träger sollten immer so eingestellt werden, dass die Tasche knapp über dem unteren Rücken endet. Sie darf nicht zu tief hängen, da dies den Schwerpunkt zu weit nach hinten verlagert und den Rücken zusätzlich belastet.

3. Brust- und Hüftgurte

Brust- und Hüftgurte sind nützliche Zusatzfunktionen, die besonders bei schwereren Taschen oder längeren Tragezeiten empfohlen werden. Sie helfen, das Gewicht der Tasche besser auf den gesamten Oberkörper zu verteilen und entlasten dadurch die Schultern und die Wirbelsäule. Besonders bei Kindern, die weite Wege zur Schule haben oder den Schulweg zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen, bieten Brust- und Hüftgurte eine deutliche Erleichterung.

Vorteile von Brust- und Hüftgurten:

Diese Gurte sollten ebenfalls verstellbar sein, um sie individuell an den Körper des Kindes anpassen zu können. Sie sind besonders bei älteren Kindern und Jugendlichen zu empfehlen, die oft mehr Gewicht in ihrer Tasche tragen.

4. Gewicht der Tasche

Das Eigengewicht der Schultasche spielt eine wesentliche Rolle, da dieses zu dem Gesamtgewicht, das das Kind tragen muss, hinzukommt. Ideal sind Modelle, die ein Eigengewicht um ein 1 kg aufweisen, vor allem für jüngere Kinder in der Grundschule. Besonders robuste und stabile Schultaschen können ein höheres Gewicht aufweisen, jedoch sollten Eltern darauf achten, dass dies nicht zu Lasten der Ergonomie geht.

Richtlinien für das Eigengewicht:

Die moderne Entwicklung ergonomischer Schultaschen hat zu vielen leichten, aber dennoch stabilen und geräumigen Modellen geführt, die sich gut für den Alltag eignen.

5. Fächeraufteilung und Packtechnik

Die richtige Fächeraufteilung spielt eine wichtige Rolle bei der gleichmäßigen Verteilung des Gewichts innerhalb der Tasche. Schwere Gegenstände wie Bücher und Ordner sollten möglichst nah am Rücken des Kindes verstaut werden, um den Schwerpunkt der Tasche zu reduzieren und eine natürliche Körperhaltung zu fördern.

Was Sie beachten sollten:

Eine Tasche mit einem gut organisierten Innenraum hilft dem Kind, alles Nötige mitzunehmen, ohne dass die Last falsch verteilt wird. Zusätzliche Außentaschen zum Mittragen einer Trinkflasche oder Jausendose fördern die Hygiene und erlauben raschen Zugriff.

6. Reflektoren und Sicherheitsmerkmale

Sicherheit ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der beim Kauf einer Schultasche nicht vernachlässigt werden sollte. Schulkinder sind oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs, und gerade in den dunkleren Monaten des Jahres ist es wichtig, dass sie gut sichtbar sind.

Darauf sollten Sie achten:

Gerade für Grundschüler, die häufig zu Fuß unterwegs sind, bieten reflektierende Schultaschen einen wichtigen Schutz im Straßenverkehr.

7. Materialien und Langlebigkeit

Ein weiteres wichtiges Kriterium beim Kauf einer Schultasche ist das verwendete Material. Die Tasche sollte aus robustem, wasserabweisendem Material bestehen, das auch bei Regenwetter den Inhalt trocken hält. Die Nähte und Reißverschlüsse sollten stabil sein, um der täglichen Beanspruchung standzuhalten.

Wichtige Eigenschaften des Materials:

8. Rückenpolsterung und Tragekomfort

Eine gute Schultasche sollte unbedingt über eine ergonomisch geformte Rückenpolsterung verfügen. Diese sorgt dafür, dass sich die Tasche optimal an den Rücken des Kindes anschmiegt und der Druck gleichmäßig verteilt wird. Besonders wichtig ist, dass der Rückenbereich atmungsaktiv ist, um übermäßiges Schwitzen zu verhindern. Eine Tasche, die nicht gut sitzt, kann unangenehm drücken, zu Haltungsschäden führen und die Muskulatur ungleichmäßig belasten.

Darauf sollten Sie achten:

Zusammenfassung:

Beim Kauf einer Schultasche sollten Eltern folgende Punkte beachten:

Mit diesen Merkmalen kann sichergestellt werden, dass die Schultasche den orthopädischen Anforderungen entspricht und das Kind gut unterstützt, anstatt die Haltung und die körperliche Entwicklung negativ zu beeinflussen.

Folgen einer zu schweren Schultasche

Die Auswirkungen einer zu schweren oder falsch getragenen Schultasche sind nicht zu unterschätzen. Häufig führen sie bereits in jungen Jahren zu Problemen, die sich später verschlimmern können.

Rückenschmerzen und Haltungsschäden

Ein falsches Tragen der Schultasche kann zu muskulären Dysbalancen führen, die Rückenschmerzen und Haltungsschäden verursachen. Vor allem bei jungen Kindern, deren Wirbelsäule sich noch im Wachstum befindet, ist das besonders kritisch.

Wachstumsstörungen und Verspannungen

Kinder, die dauerhaft zu schweren Taschen tragen, können langfristig Wachstumsstörungen entwickeln. Dies betrifft besonders die Brust- und Lendenwirbelsäule, die durch die ungleichmäßige Belastung unter ständiger Spannung steht.

Langfristige orthopädische Probleme

Werden Haltungsschäden nicht korrigiert, können diese zu dauerhaften Fehlstellungen und chronischen Schmerzen führen. Eine zu schwere Schultasche kann somit langfristige orthopädische Probleme wie Skoliose oder Bandscheibenprobleme verschlimmern.

Vergleich verschiedener Schultaschenarten

Verschiedene Schultaschenarten haben ihre Vor- und Nachteile. Die Wahl hängt von der Altersstufe und den Anforderungen der Schule ab.

Klassischer Schulranzen

Der klassische Schulranzen ist stabil, gut gepolstert und bietet eine übersichtliche Fächeraufteilung. Er eignet sich besonders für Grundschulkinder, da er für kleinere Körpergrößen optimiert ist.

Schulrucksäcke

Für ältere Kinder und Jugendliche bieten Schulrucksäcke mehr Flexibilität. Sie sind oft leichter und moderner im Design, bieten aber nicht immer die gleiche Unterstützung für den Rücken wie ein Schulranzen.

Ergonomische Taschen

Ergonomische Taschen bieten spezielle Funktionen wie gepolsterte Rückenbereiche und Brustgurte. Sie sind ideal für Kinder, die besonders empfindlich auf Belastungen reagieren oder bereits Probleme mit der Wirbelsäule haben.

Schultaschen zum Nachziehen

Eine weitere Option, die vor allem in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat, sind Schultaschen zum Nachziehen, ähnlich wie Trolleys. Diese Taschen sind mit Rollen und einem ausziehbaren Griff ausgestattet, sodass Kinder sie hinter sich herziehen können, anstatt sie auf dem Rücken zu tragen. Dies kann auf den ersten Blick wie eine rückenschonende Alternative erscheinen, vor allem für Kinder, die weite Schulwege zurücklegen oder viele schwere Bücher transportieren müssen.

Tipps für den Alltag – Wie man die Belastung durch die Schultasche zusätzlich reduziert

Neben der Wahl der richtigen Tasche gibt es im Alltag einige Möglichkeiten, um die Belastung durch das Tragen zu reduzieren:

Expertenmeinung: Dr. Johannes Gründler bei PULS 4

Falls Sie noch tiefer in das Thema eintauchen möchten, hat Dr. Johannes Gründler, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, ehemals Oberarzt an der Abteilung für Kinder- und Jugendorthopädie im OSS Speising kürzlich bei PULS 4 über das richtige Gewicht von Schultaschen und die Auswirkungen auf die Rückengesundheit gesprochen. In diesem Interview erklärt er anschaulich, wie Eltern die Belastung für ihre Kinder minimieren können und worauf sie beim Kauf einer Schultasche besonders achten sollten.

Sie können das vollständige Interview in der Mediathek von PULS 4 ansehen:

Wie schwer darf die Schultasche sein? – PULS 4

Das Video bietet wertvolle zusätzliche Einblicke und praktische Tipps von einem erfahrenen Orthopäden, um den Schulalltag Ihrer Kinder rückenschonend zu gestalten.

Fazit

"Eine ergonomisch sinnvolle Schultasche kann langfristige gesundheitliche Vorteile bieten. Eltern sollten sich Zeit nehmen, die passende Tasche zu wählen und darauf achten, dass das Kind sie richtig trägt. Mit den richtigen Vorsichtsmaßnahmen lässt sich das Risiko von Haltungsschäden und Rückenschmerzen deutlich reduzieren."
Portrait von Dr. Johannes Gründler - Orthopäde
Dr. Johannes Gründler
Ehemaliger Oberarzt der Kinderorthopädie am OSS
Portrait von Dr. Johannes Gründler - Orthopäde

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